„Papa, Papa ist das das Meer?“, fragt ein kleines Kind im Zug zwischen Bordeaux und Biarritz. „Nein, das ist ein See.“ „Nein, Papa das ist das Meer.“ Und das war dann der Moment, wo ich meine Augen öffnete, aus dem Zug schaute und realisierte, dass die regnerischen Tage in La Rochelle erst einmal vorbei waren. Es war der 17. Oktober und jetzt konnten die Ferien endlich beginnen. Ihr seid auch urlaubsreif? Dann kommt mal kurz mit in den Süden.
Es war eine unglaublich schöne Woche. Ein paar von uns deutschen Freiwilligen haben sich zusammengetan und eine Woche in Saint Jean de Luz/Ciboure in einem Ferienhaus verbracht.
Es war eine Woche des Lachens, eine Woche voller Geschichten. Es war eine Woche des Schwärmens, des Staunens und der Harmonie. Wir sind als Gruppe so gut zusammengewachsen. Und das tägliche gemeinsame Essen, die interessanten Gespräche mal wieder auf Deutsch oder das Eintauchen in eine traumhafte Landschaft – wir drückten alle mal auf Pause.
Morgens kaufte immer eine kleine Gruppe von uns ein. Im großen Supermarkt E.Leclerc war das echt ein Abenteuer. Es fing damit an, dass wir unser Essen planten und plötzlich die Ideen nur so aus uns heraussprudelten: Wie wäre es mit Lasagne, Käsefondu, Kürbissuppe, Barbecue oder Pflaumenkuchen? Doch kein Problem: wir waren zwar kreativ aber auch strukturiert. Ich glaube, ich erlebte meine deutscheste Woche überhaupt. Denn obwohl wir so unterschiedliche Ideen hatten, organisierten wir die Tage perfekt. Und so endete jeder Tag mit einem Drei-Gänge Menü am Tisch. Und zwar dauerte das Abendessen 3 Stunden, so wie es sich für französische Verhältnisse gehört! Am letzten Abend waren wir so im flow mit der Essenszubereitung, dass sich das 3 Gänge Menü zu einem 4 Gänge Menü mit Aperitif ausweitete.
Wir hatten uns das viele Essen aber auch wirklich verdient! Denn was wir aus dem Seminar lernten, war, dass man sich an die Corona-Regeln anpassen muss, was bedeutete, dass wir viel draußen unternommen haben. Nach langen Wanderungen und Fahrradtouren fühlte ich mich wirklich sportlich und jedes Mal wieder bereit für ein Festmahl.
Ich war sehr überrascht über die vielfältige Landschaft. Allen habe ich erzählt, dass ich ans Meer in den Süden fahre, aber mit Steilküsten, saftigen Wiesen und Bergen im Hintergrund habe ich nicht gerechnet. Und dann schaut man von einer Klippe hinunter und beobachtet die Gewalt der Wellen. Von vorne kommt der Wind, von hinten die Sonne. Mit den sanften Hügeln, auf denen das Vieh weidet, fühlte man sich wie in Schottland. Die hübschen Häuser erinnerten mich an Belgien, die bergige Landschaft an Österreich. Naja und dann siehst du da so eine Palme inmitten der ländlichen Idylle und bist zurück im Baskenland.
Unser Highlight sollte Biarritz sein. Im Internet wird von einer mondänen Stadt gesprochen, die für Promihype, Kasinos und Pariser Chic steht. Es wird von langen Stränden erzählt, von heißen Surfern, von braungebrannten Einwohnern. Es ist die Stadt Coco Chanels, es ist ein Paris am Meer und es ist eine Stadt des Genusses.
Nun, wir haben sie sicher so erlebt, nur konnten wir das alles durch die Regengüsse nicht erkennen. Ja vielleicht versteckte sich Eleganz unter dem Nass. Was wir sahen, war leider grau. Doch umso wilder erlebten wir das Meer und die berühmten Felsen Jargin, L’ Artillerie und Le Basta. Wir hatten das Gefühl, der Sturm riss uns die Haare vom Kopf und doch packte uns eine Euphorie als wir uns auf einer Brücke vom Festland zu einem der Felsen durchkämpften. So viel Luft, so viel Regen und Sturm, so viel Wellen und so viel Lärm. Es war einfach unglaublich. Wir haben den Postkartenblick auf die Küste von Biarritz wahrscheinlich für unser Leben lang wild in Erinnerung.
Auch das berühmte Café Miremont inspizierten wir kurz. Hier trafen sich die Könige und Königinnen und später die High Society von Europa. Umzingelt von touristischen Einkaufsläden wirkte das Café heutzutage ein bisschen traurig. In der oberen Etage konnte man seinen Kaffee mit Blick auf das Meer genießen und sich ins 19. Jahrhundert versetzen lassen. Aber verspiegelte Wände und glitzernde Kronenleuchter verschreckten uns nasse Geschöpfe. Somit setzten wir uns später in ein kostengünstigeres Café und freuten uns zunächst auf unsere selbst geschmierten Baguettes, die wir uns so richtig schön stillos auf den nassen Bänken vor den Galleries Lafayette schmecken ließen.
Klar haben wir uns die Stadt anders vorgestellt aber andere Biarritz-Touristen kennen ja auch nicht unbedingt Saint-Jean-de-Luz und Ciboure, wo wir unser Ferienhaus gemietet hatten. Denn diese zwei Städte, die am Meer ineinander übergehen, sind die wahren Geheimtipps der baskischen Küste. Saint-Jean de Luz war ursprünglich ein kleines Fischerdorf und entwickelte sich später zu einem Kurort. Durch hohe Dämme wird die Stadt vor den wuchtigen Wellen geschützt und ein feinsandiger, weitläufiger Strand macht die Stadt als Badeort attraktiv. Die Stadt Ciboure beginnt neben dem Hafen von Saint-Jean-de-Luz, an dem Fluss Nivelle, an dem wir jeden Tag vorbei spaziert sind.
Und so nutzten wir die verbliebene Zeit noch einmal in den zwei typisch baskischen Städten, trauten uns und sprangen ins eiskalte Wasser, betrachteten die Kirche, in der Ludwig XIV. und Maria Teresa heirateten und flanierten an den süßen Lädchen vorbei, kauften Postkarten und Leckereien. Ich kostete ein Schokoküchlein aus dem Laden Maison Adam und fand später heraus, dass Ludwig XIV. und seine Gemahlin sich bei ihrer Hochzeit die Macarons dieses Hauses auftafeln ließen. Diese Macarons sind bekannt für ihren Mandelgeschmack ohne Cremefüllung oder Farbstoffe.
Neben den vielen Erlebnissen hatten wir auch die Möglichkeit die Anderen über ihre Einsatzorte und die bisherigen Erfahrungen auszufragen. Viele haben noch keinen richtigen Plan in ihrer Einsatzstelle und finden ihre Aufgaben mit der Zeit. Ich fand es toll, die Ideen der anderen zu hören und lasse mich jetzt hoffentlich davon inspirieren. Wir alle waren hin und weg von der Idee mit der Weihnachts-AG und kauften direkt Lebkuchen im Lidl und sangen zu „All I want for Christmas is you“.
Doch auch über deutsch-deutsche Unterschiede liebten wir es, zu diskutieren. Es ist einfach so lustig, wenn die Gruppe aus Nord-, Ost-, Süd- und Westdeutschen besteht. Im Süden „hockt“ man sich nämlich ins Café, während man sich sonst ins Café setzt. Und Im Osten „macht“ man los, während die anderen eher losgehen. Doch es gibt Grenzen bei: „der Nutella“ und „das Joghurt“! Überhaupt war jeder Abend anders und immer wieder aufs Neue interessant. Einmal war die spanische Mitbewohnerin einer Freiwilligen da und kochte für uns Tortilla de Patatas. Ein anderes Mal lernten wir zusammen den französischen Gruppentanz Madison, dem Pendant zu Macarena. Sofort suchten wir deutsche Lieder zu dem der Tanz auch passte. Käseplatten und selbstgemachte Bowle toppten das alles noch. Je später es wurde, desto verrückter wurden wir. Es tat so gut, mal wieder unter Deutschen zu sein, Witze zu machen und einfach mal das zu sagen, was man denkt. Wir unterhielten uns z. B. über den Fleischkonsum, über die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland und über die Vor- und Nachteile des französischen Schulsystems. Neben den ernsten Themen hatten wir auch immer was zu Lachen. Per Zufall fanden wir heraus, dass zwei Freiwillige, die aus völlig verschiedenen Regionen Deutschlands kommen, denselben Typen kennen. Die Welt ist doch klein. Und dann gab es ja noch den Plan mit der gemeinsamen Hühnerhaltung :))
Vorbei war es dann, wenn der Wein alle war und auch die Nachbarn nichts mehr für uns hatten.
Am Donnerstag, dem 22. Oktober war es Zeit wieder „nach Hause“ zu fahren. Als alle weg waren, blieb unsere La Rochelle-Gang übrig. Als Abschluss kaufte ich mir noch schnell einen Gâteau Basque. Dieses traditionelle Gebäck mit einer Füllung aus Vanillecreme oder Kirschmarmelade ist einfach himmlisch und schmeckt selbst im Zug gut.
In Bordeaux angekommen fing es dann auch, wie erwartet, wieder an zu regnen und hörte erst in La Rochelle wieder auf. Das Riesenrad leuchtete schon von weiten und hieß uns willkommen. Es ist komisch, aus dem Strandurlaub in eine Stadt mit genau so viel Strand zurückzukehren. Freut euch auf den nächsten Beitrag, denn da steht La Rochelle wieder im Mittelpunkt.
Liebe Grüße an alle! Ich wünsche euch einen guten Unistart, schöne Ferien oder einfach einen schönen Herbst!
Fischerdorf und Kurort Saint-Jean-de-Luz
atemberaubende Aussicht
ein verregnetes Biarritz schaut man sich lieber von drinnen an
sportliche Menschen und so
hier haben Ludwig XIV. und Maria Teresa geheiratet
die Bäckerei „Maison Adam“ dieses Gebäcks tafelte Macarons zur Hochzeit des Sonnenkönigs auf
Palmen in ländlicher Idylle
Probiert auch mal den Gâteau Basque!